Braucht es besondere Menschen für die Vertrauenskultur? Aus meiner Sicht nicht, den gesunde Menschen haben Vertrauen, sonst würden sie ihr Leben nicht meistern können.
Für den Fall, dass die persönliche Sicherheit abhanden kommt breitet sich Angst aus und durch sie verlieren die Fähigkeit zu vertrauen. Es geht der Selbstwert verloren, wird ersetzt durch Selbstgerechtigkeit. Andere Menschen werden Gegner oder gar Feinde und alles Fremde ist suspekt und gefährlich.
„Unter Vertrauen wird die Annahme verstanden, dass Entwicklungen einen positiven oder erwarteten Verlauf nehmen.“ diese Definition ist unter dem Stichwort ‚Vertrauen‘ auf Wikipedia zu lesen. Im Gegensatz dazu ist „Hoffnung eine zuversichtliche innerliche Ausrichtung gepaart mit einer positiven Erwartungshaltung, dass etwas Wünschenswertes in der Zukunft eintritt, ohne dass wirkliche Gewissheit darüber besteht“.
Beides ist Menschen zu eigen, Vertrauen und Hoffnung, denn diese Fähigkeiten veranlasst uns die Herausforderungen des Lebens anzunehmen. Wir gehen im Normalfall davon aus, in eine gute Zukunft gehen zu können, wir vertrauen darauf. Erfüllte oder nicht erfüllte Hoffnung beinhaltet den Aspekt des Vergleichs, jedoch gibt es einen entscheidenden Unterschied. Tritt etwas Erwartetes ein wird es als normal empfunden, tritt es nicht ein entsteht ein starkes Gefühl der Enttäuschung.
Wir haben Zweifel und Vorbehalte ja sogar Vorurteile, die uns vorsichtig sein lassen. Diese ‚gesunde Angst‘, wie sie oft bezeichnet wird, macht uns fähig gesund zu bleiben und kalkulierbare Risiken einzugehen. Die Balance zu halten ist eine stete Herausforderung und nur möglich weil wir individuelle und zugleich soziale Wesen sind.
Sich selbst wichtig zu nehmen und ein selbstbestimmtes Leben zu gestalten, ist in unsere Gesellschaft prinzipiell möglich. Die Praxis zeigt jedoch, dass diese Möglichkeit nur wenigen offen steht. Die Mehrheit teilt ihr Leben in zwei Dimensionen – in das selbstbestimmte Privatleben und das fremdbestimmte Berufsleben.
„Das industrielle Zeitalter war geprägt durch eine Ressourcennutzungskultur. Es ging darum sowohl natürliche als auch menschliche Ressourcen auszuschöpfen“ sagt Prof. Dr. Gerald Hüther in seinem Vortrag zur Potenzialentfaltung. Dies sind noch immer vorherrschenden Paradigmen unsere Wirtschaft, wobei „BIGDATA“ nicht nur den physischen Menschen sondern den gesamten Menschen zur nutzbaren Ressource verkürzt.
Sichtbar an den Grundannahmen welche ich in fast allen Führungsseminaren begegne. Die beobachtbare Praxis hört sich dann so an:
- „Wie kann man Mitarbeiter erfolgreich motivieren“
- „Wie bringe ich Lehrlinge dazu, dass sie mehr lernen“
- „Mit welchen Tricks kann die Produktivität des Team’s deutlich erhöht werden“
- „Was muss ich tun, dass Mitarbeiter funktionieren„
Freilich gibt es dazu eine Menge Rezepte, Konzepte. Meist sind es enge Kontroll- oder Verführungs- und Anreizsysteme, die tatsächlich kurzfristig zu guten Erfolgen führen. Dazu kommt noch, dass Informationen und Steuerungsimpulse von komplexen, nicht nachvollziehbaren IT-Systeme kommen, und Menschen einfach dazu verdonnern, dass man das übermittelte einfach „glauben muss“. Noch dazu in einer Geschwindigkeit und Taktrate die sehr hoch ist.
Über längere Zeit funktionieren Menschen mit äußeren Druck, Dosiserhöhung bei Anreizen und Steigerung der Informationsdichte. All dies macht krank, abhängig, erzeugt Angst und tötet Vertrauen.
Das dies nicht nur eine Annahme ist belegen seit Jahren Meldung die durch die Medien gehen:
"Die österreicherischen Arbeiter und Angestellten waren im Vorjahr insgesamt 38,7 Millionen Tage lang im Krankenstand, 2,4 Millionen Fehltage wurden durch psychische Probleme wie Depressionen, Alkoholismus oder Burn-Out verursacht, das geht aus Zahlen des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger hervor“ (News 13.5.2010).
"Burnout-Fälle schon in jeder zweiten Firma - Psychische Belastungen bei Arbeitnehmern steigen stark an, zeigt eine Umfrage der Arbeiterkammer OÖ. Arbeitgeber müssen Burnout ernst nehmen, so die Forderung" (der Standard 27. Juni 2016, 08:45).
"7600 Krankenstände wegen Depressionen und Burnout - Immer mehr Arbeitnehmer bleiben in Kärnten wegen Burnouts oder Depressionen wochenlang vom Arbeitsplatz fern. Im Vorjahr wurden bereits 7603 Fälle (4405 Frauen und 3198 Männer) bei der Krankenkasse gemeldet. Laut Experten suchen sich viele Betroffene zu spät Hilfe, obwohl es ausreichend Beratungsstellen gibt. (Die Krone Kärnten 11.02.2018, 23:59).
Ein Hinweis dafür, dass die Menschen weiter von einer Vertrauenskultur entfernt sind als gemeinhin angenommen wird.
Offensichtlich ist verbreitete Angst das Phänomen in unserer Zeit.
Ob das gesund ist, steht auf einen anderen Blatt, denn wir Menschen sind nicht in der Lage Angst als steten Begleiter ertragen zu können. Angst ist ein lähmendes Gefühl und zwingt Menschen zum Rückgriff auf bisher bewährte Lösungen. Hinsichtlich Kreativität, Innovationsgeist, Flexibilität usw. wirkt die Angst wie ein zäher Ölfilm, der jede Dynamik dämpft. Überwinden lässt sich die Angst nur dann, wenn es gelingt, ein anderes, entgegengesetztes Gefühl zu wecken
Vertrauen.
Wir Menschen verfügen über drei Ressourcen, mit deren Hilfe wir Angst und Verunsicherung überwinden können.
Erstens – Vertrauen in eigene Fähigkeiten, eigenes Wissen, eigene Erfahrungen.
Zweiten – Vertrauen in die Fähigkeiten anderer zur Zusammenarbeit, gegenseitiger Hilfe, auch das Vertrauen in das Verständnis, das uns andere entgegenbringen gehört dazu.
Drittens – Vertrauen in etwas, was „die Welt im Innersten zusammenhält“, das „Orientierung bietet“ und unserem Leben und Leiden Sinn verleiht.
Angesicht einer boomenden Wirtschaft stellt sich nun die brennende Frage:
Was kann besser, anders oder nicht mehr getan werden um eine neue Kultur zu etablieren?
Hier ein paar Aspekte:
- Sicherheit und Zugehörigkeit als Grundprinzipien sind Basis damit Erwachsene Menschen mit Begeisterung ein Ziel verfolgen, einem gemeinsamen Sinn folgen.
- Ein Klima des Respekts, des Wohlwollens und Zutrauens, wo Menschen ihre Potenziale entfalten.
- Neue Erfahrungen im Umgang miteinander durch Abschalten von Überwachung, Transparenz bei Entscheidungen, persönliche Kontaktnahme und viele Gespräche.
All das hilft Ängste überwinden und das Vertrauen kann zurückkehren.
Dazu braucht es eine Führungskultur und eine Organisation die Möglichkeiten eröffnet und Fehler als Lernchance erkennt. Gelingt diese lernende, offene, vertrauende Kultur so ist ein Unternehmen in der Lage wechselnde Marktbedingungen besser ausgleichen zu können. Denn kontinuierlich neues Lernen ist erforderlich und notwendig, bei dieser rasend raschen und steten Veränderung unserer Welt.
Das lebenslanges Lernen funktioniert hat die Gehirnforschung längst bewiesen. Es braucht nur die Begeisterung dazu und es funktioniert bestens. Der Unterschied zwischen Jungen und Älteren ist, dass Erfahrungen die Begeisterungsfähigkeit manchmal beschnitten haben. Aber das Beispiel von Prof. Dr. Gerald Hüther stellt sehr anschaulich dar, dass Begeisterung immer möglich ist, wenn er meint: „Ein Mann mit 86 Jahren lernt erfolgreich Chinesisch, wenn er sich total in eine 64 jährige Chinesin verliebt hat“. Der Mensch ist immer wieder fähig über seine Erfahrungen hinaus zu wachsen, den es nie zu spät seine Vergangenheit neu zu erfinden.
Die Etablierung von Systematiken zur Kompetenzentwicklung sind ein wesentlicher Baustein, damit Menschen in der Vertrauenskultur ihre Potenziale entfalten. Dazu möchte ich einige Stichworte wie begleiteter Wissenstransfer, Mentoringsysteme, stärkenorientiertes Mitarbeitergespräch, Teamleitertraining, ‚Herausforderung Gesund am Arbeitsplatz‘ oder WEISE® usw. anführen. Die Konzepte und Lösungen dazu habe ich in anderen Artikel schon öfters behandelt.
Welche konkreten Veränderungen, Anpassungen Unternehmen dazu notwendig sind, zeigt sich bei einer gründlichen Analyse.
Für die Vertrauenskultur gibt es nämlich keine Rezepte, denn sie basiert auf einer Haltung, auf einem gelebten Verhaltenskodex.